Fritz Möser in Cambridge: zu seinem 80. Geburtstag
Wer Fritz Mösers geradezu gigantisches grafisches Werk erschließen und für die interessierte Öffentlichkeit erforschen und deuten möchte, kann das jetzt in der Spezialabteilung für Rare Books der Universitätsbibliothek Cambridge. Nachdem wir – meine Frau und ich – seit 1963 von seinem Werk in Atem gehalten werden, haben wir meiner Universität zu ihrem 800. Geburtstag unsere Sammlung von 44 grafischen Zyklen, 250 von ihm gesetzte und mit Original Linolschnittenausgestattete Bücher und Kalender und seine 250 an uns gerichteten Briefe geschenkt, zusammen mit Ausstellungskatalogen, Plakaten, Einladungen und Pressereaktionen auf sein Werk.
Durch die etwa 300 Fritz Möser Ausstellungen, die wir in Europa und Nordamerika angeregt haben und durch die Leitung von gut 100 Arbeitsgruppen, die sich mit seinen Grafiken auseinander gesetzt haben, wurde uns klar, dass Fritz Möser in der Kunst des 20. Jahrhunderts ein einzigartiges Phänomen ist. Ohne jede Förderung durch den - und die Abhängigkeit vom - traditionellen Kunstbetrieb schuf er neben seinen bibliophilen Büchern für Kleinverlage 50 Zyklen zu Themen der klassischen Antike, zur Welt der Bibel und der Lyrik der Moderne.
Fritz Möser entwickelte durch seine Arbeit als Schriftsetzer ein außergewöhnlich intensives und intimes Verhältnis zu – und Verständnis für - Buchstaben und die aus ihnen zusammen gesetzten Wörter. Mit dem atemberaubend sicherem Instinkt für die verborgenen oder verschütteten Quellen, aus denen die Autoren seiner Texte geschöpft haben, dringt er zur vorsprachlichen Substanz der von ihm ausgesuchten Episoden aus der Bibel, der antiken Mythologie oder Gedichten der Moderne vor und konfrontiert uns unmittelbar mit den von ihm in seiner grafischen Sprache neu ausgedrückten uns existenziell berührenden Offenbarungen.
Als Bibelexeget ist er durch seinen unverstellten Zugriff auf Quellen in seiner Radikalität den professionellen Schriftgelehrten haushoch überlegen, weil er keiner Interpretationsschule verpflichtet ist. Wie ein Spracharchäologe legt er die über den Quellen liegenden Interpretationssedimente der Jahrhunderte frei und ermöglicht uns so den unzensierten Zugang zu ihnen. Unsere Vision ist, dass es eines Tages zu einer Herausgabe aller Grafiken Fritz Mösers zu den von ihm dargestellten und gedeuteten Bibelstellen kommt, auch der von ihm später – im Abstand von 20 und mehr Jahren - in geheimnisvoll kühn leuchtenden Farben illuminiertenschwarz-weiß Schnitte.
Die Beschäftigung mit diesem Jahrhundertwerk würde Wege aufzeigen, wie die fatalen Irrwege der monotheistischen Fehldeutungen und Engführungen der religiösen Urbotschaften durchschaut und vermieden werden können.
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